Heilsame Briefe an das innere Kind schreiben

Es lebt in jedem von uns – dieses kleine, empfindsame Wesen voller Sehnsucht, Angst, Freude und Hoffnung. Das innere Kind. Es erinnert sich an Erfahrungen, die unser erwachsenes Ich längst verdrängt hat: Verletzungen, ungelöste Gefühle, unerfüllte Bedürfnisse. Wer beginnt, mit diesem Kind in Kontakt zu treten, begibt sich auf eine der tiefsten und gleichzeitig heilsamsten Reisen zu sich selbst. Eine besonders kraftvolle Methode: das Schreiben von Briefen an das innere Kind.

Warum das innere Kind gehört werden will

Unsere Kindheit prägt unser emotionales Fundament. Wenn Bedürfnisse wie Sicherheit, Zuwendung oder Anerkennung damals nicht erfüllt wurden, kann das innere Kind auch im Erwachsenenleben nach Aufmerksamkeit rufen – oft durch übersteigerte Emotionen, Rückzug oder unverständliche Reaktionen.

„Das innere Kind will nicht ‚wegtherapiert‘ werden“, sagt die Therapeutin und Autorin Jana Ehlers. „Es möchte gesehen, verstanden und gehalten werden – von der Person, die wir heute sind.“ Briefe an das innere Kind schaffen genau diesen Raum: einen sicheren Dialog zwischen der erwachsenen Stimme und dem emotionalen Erleben von damals.

Schreiben als Türöffner

Das Schreiben eines Briefes an das innere Kind ist mehr als ein therapeutisches Werkzeug – es ist ein Akt der Selbstzuwendung. Dabei geht es nicht um literarische Schönheit, sondern um Ehrlichkeit und Herzverbindung. Es entsteht ein innerer Dialog, in dem das Kind endlich ausdrücken darf, was es damals vielleicht nicht sagen konnte: Angst, Wut, Scham, Sehnsucht, aber auch Hoffnung und Liebe.

Ein solcher Brief kann zum Beispiel so beginnen:
„Liebes kleines Ich, ich sehe dich. Ich weiß, wie viel du getragen hast. Und ich bin jetzt hier, um dich zu halten.“

Allein diese Worte können eine tiefgreifende emotionale Reaktion auslösen – oft begleitet von Tränen, Wärme oder einem Gefühl von Erleichterung. Denn das innere Kind hört zu. Und es erinnert sich.

Wie schreibe ich einen heilsamen Brief?

Es gibt keinen festen Ablauf, aber einige Impulse haben sich bewährt:

  • Finde einen geschützten Raum, in dem du ungestört schreiben kannst.
  • Sprich dein inneres Kind direkt an – mit liebevollen, verständnisvollen Worten.
  • Erkenne Gefühle und Bedürfnisse von damals an, ohne sie zu bewerten.
  • Gib Trost, Schutz und Liebe – aus der Perspektive des Erwachsenen von heute.
  • Lies den Brief laut vor – manchmal sogar mehrmals. Das vertieft die Wirkung.

Manche Menschen schreiben auch mehrere Briefe, z. B. an das fünfjährige Ich, das zehnjährige oder das jugendliche Ich – je nachdem, welche Lebensphasen berührt werden wollen.

Wenn Heilung fühlbar wird

Viele berichten nach dem Schreiben solcher Briefe von einem spürbaren Wandel: mehr Mitgefühl für sich selbst, weniger emotionale Reaktivität, ein innerer Frieden, der vorher nicht greifbar war. Die Beziehung zu sich selbst wird sanfter, verständnisvoller – und das zeigt sich auch im Außen: in gesünderen Grenzen, klareren Entscheidungen und mehr emotionaler Stabilität.

Das Schreiben an das innere Kind ist ein Weg zurück zu sich selbst – zu dem verletzlichen, aber auch kraftvollen Teil in uns, der nie aufgehört hat zu hoffen, gehört und geliebt zu werden.